Der Weg zum nördlichsten Punkt vom europäischen Festlandes ist nicht einfach zu gehen. Aber unmöglich ist die Wanderung zum Kinnarodden natürlich nicht. Denn das spannende Abenteuer zum echten nördlichen Punkt auf der Nordkinn-Halbinsel lohnt sich allemal. In diesem Artikel beantworte ich Dir alle Fragen zur Kinnarodden Wanderung sowie über die Themen Trinkwasser, Zelten, Wegbeschaffenheit, Wegverlauf und noch viele weitere wichtige Details. Los geht’s!
Inhaltsverzeichnis
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Ausgesetzt auf der Nordkinn-Halbinsel auf dem Weg zum Kinnarodden
Es war Anfang September, als der tosende eiskalte Wind den Regen aus unheimlich tiefen Wolken ungebremst in unsere Gesichter peitschte. Wir befanden uns mitten im Nirgendwo, unterwegs zu Fuß mit unserem Gepäck zum nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes, dem Kinnarodden.
Kein Schutz weit und breit zu sehen, ausgesetzt in einer Welt voller Steine, die nun dank Regen extrem rutschig und hochgefährlich wurden. Hier im Norden der Nordkinn-Halbinsel, auf unwegsamen Gelände und ohne erkennbaren Wanderweg, gab es nichts, was uns hätte schützen können vor den Gewalten der Natur. Nichts als Steine und tot scheinende Landschaft, so weit das Auge reichte! Nass und frierend gab es nur zwei Richtungen, die zum Ziel oder die, Zurück zum Komfort.
Kinnarodden ist der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes!
Holen wir kurz einmal aus, bevor es mit unserer Wanderung weitergeht. Denn ein bis heute immer noch weitverbreiteter Irrtum, dass das Nordkap der nördlichste Punkt vom Festland Europas sei, scheint immer noch aktuell und nicht aufgeklärt. Wohl auch dank gutem Tourismusmarketing beim Nordkap. Denn am Nordkap wird gutes Geld verdient, das darf nicht vergessen werden. Selbst einige Norweger bezeichneten uns gegenüber als nördlichsten Punkt das Nordkap.
Warum ist das Nordkap nicht der nördlichste Punkt?
Das Nordkap ist jedoch nicht der nördlichste Punkt vom europäischen Festland. Warum? Weil das Nordkap auf einer Insel liegt! Jetzt als Insel der nördlichste Punkt von Europa zu sein, wird auch schwierig, denn Spitzbergen und die Inselgruppe Franz-Josef-Land liegen deutlich nördlicher.
Vor dem Start unserer mehrmonatigen Tour durch Skandinavien mit unserem Campingbus, war auch für uns das Nordkap ein Ziel. Am Ende fuhren wir jedoch nicht hin und können somit auch nicht im Hinblick auf Schönheit und Nichtschönheit über das Nordkap urteilen. Aber einige Erzählungen von Reisenden, die wir unterwegs trafen, stellten das Nordkap in kein so gutes Licht dar.
>> Du zahlst ein Haufen Geld für nichts am Nordkap<<.
>> Überfüllt und teuer<<
Es liegt wie so oft immer im Auge des Betrachters, was schön ist und was nicht. Wir können uns aber kein Urteil über das Nordkap erlauben, da wir nie dort waren. Wir machten uns stattdessen auf den Weg zum Nordkinn, um dort, gefühlt am Ende der Welt, ein kleines Paradies für uns in totaler Einsamkeit zu finden.
Wo liegt der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes?
Ja, wo liegt denn jetzt der nördlichste Punkt vom europäischen Festland? Dieser liegt auf der norwegischen Nordkinn-Halbinsel, und er nennt sich Kinnarodden! Dorthin gelangst Du nur mit einem längeren Fußmarsch durch sehr anspruchsvolles Terrain oder mittels Boot. Wer nicht mit dem eigenen Segelboot kommt, kann auch von Mehamn aus ein Boot-Taxi buchen.
Mehamn auf der Nordkinn-Halbinsel, als letzte Zivilisation vor der Tour
Es war schon spät an diesem Septembertag, als wir am Abend mit unserem VW Bus den kleinen Ort Mehamn im Norden der Halbinsel Nordkinn erreichten. Die Nordkinn-Halbinsel ist die nördlichste Region Norwegens und infolgedessen Europas. Zumindest, wenn man sich nur auf das Festland beschränken möchte. Schon die Fahrt hierher zeigte eine unwirkliche Landschaft mit vielen kleinen verkrüppelten toten und kranken Birken und einer unglaublichen Menge an Steinen. Und doch faszinierte uns diese so unwirklich wirkende Mondlandschaft mit den vielen links und rechts der Straße grasenden kleinen oder großen Rentierherden.
Die Nacht verbrachten wir am ruhigen Flughafen in Mehamn in unserem Campingbus, wo es Parkplätze beim anliegenden Sportplatz gab. Unser Plan war es von hier aus zu Fuß zum Kinnarodden zu laufen, denn eine Straße oder Ähnliches gibt es dorthin nicht.
Informationen zur Wanderung zum Kinnarodden
Wenn Du zusätzliche Informationen über die Wanderung erhalten möchtest, kannst Du auch die Tourist-Information direkt in Mehamn besuchen. Diese hilft Dir weiter, falls nach dem folgenden Q & A noch Frage offen sind. Du kannst mir aber auch gerne Deine Frage als Kommentar unter diesem Artikel hinterlassen und ich versuche Dir, so gut ich kann, weiterzuhelfen.
Q & A zur Wanderung zum Kinnarodden
Gibt es Trinkwasser auf der Tour?
Trinkwasser gibt es genügend unterwegs. Aus Flüssen und Seen kannst Du trinken, jedoch kann natürlich immer etwas dabei sein, was Dir vielleicht den Magen verstimmt. Wir filtern unser Trinkwasser auf Tour durch Outdoor-Wasserfilter.
Gibt es eine Karte von der Tour?
Eine kostenlose Karte mit GPS Koordinaten von der Wanderung bekommst Du in der Tourist-Information in Mehman. Wir navigieren auf Touren mit dem Garmin eTrex 32x*. Mit dem Smartphone klappt das bedingt auch, doch die Akku-Leistung eines reinen GPS-Gerätes ist deutlich langlebiger. Im nächsten Abschnitt bekommst Du von mir die GPS Koordinaten zum Downloaden für die Tour.
Ist der Weg markiert?
Der Weg der Wanderung ist nicht immer als Pfad zu erkennen. Jedoch immer in bestimmten Abständen mit einem großen roten „T“ markiert. Ein wachsames Auge und etwas Konzentration sind wichtig, um sich nicht in der Steinwüste zu verlieren.
Gibt es Handyempfang für den Notfall?
Nur ziemlich selten und wenn, dann nur ganz schwach auf Erhörungen. Aber Du solltest Dich nicht darauf verlassen. Ich empfehle Dir das Abmelden in der Tourist-Info Mehamn. Bei Rückkehr reicht ein kurzer Anruf zum Zurückmelden.
Wo ist der Startpunkt der Wanderung?
Die Kinnarodden Koordinaten: Es gibt zwei Startpunkte. Der bekannt erste Startpunkt ist am Flughafen Mehamn, bei den zwei großen Steinsäulen. Koordinaten vom ersten Startpunkt 71°01’39.6″N 27°49’49.6″E (71.027664, 27.830451). Der zweite Startpunkt ist weiter draußen, circa 16 Kilometer Richtung Kjollefjord. Koordinaten vom zweiten Startpunkt 70°56’56.1″N 27°39’18.9″E (70.948921,27.655249). Beide Routen sind circa 25 Kilometer lang und treffen im späteren Verlauf aufeinander. Die Startpunkte sind in der Karte der Tourist-Information Mehamn eingezeichnet.
Wie lang ist die Wander-Strecke?
Die gesamte Tour Hin und Zurück beträgt ungefähr 50 Kilometer.
Kann ich unterwegs mein Zelt aufbauen?
Viel Auswahl mit kleinen grünen Flecken zum Aufbauen des Zeltes gibt es nicht. Doch es ist immer wieder vereinzelt möglich, einen Platz für Dein Zelt zu finden. Vor allem in der Mitte der Wanderung und auf den letzten 10 Kilometern gibt es gute Plätze für ein Zelt.
Kartenmaterial und GPX Daten für Deine eigene Planung zum Kinnarodden
Klicke auf “Mehr erfahren” um die GPX Datei zu downloaden oder eine Zusammenfassung der Tour Drucken zu können.
Die zwei Varianten der Nordkinn-Wanderung zum nördlichsten Punkt
Zur Homepage “Visit Nordkyn“, wo Informationen über die Nordkinn-Halbinsel und Wanderungen bereitgestellt werden.
Die Wegbeschaffenheit und die Wegmarkierung der Wanderung
Ich empfehle festes Schuhwerk. Der Weg ist über längere Strecken sehr uneben und steinig. Viele Geröllfelder müssen zudem durchquert werden. Eine gesunde körperliche Verfassung ist also vorteilhaft, um zum Ziel zu kommen. Eine gesunde Psyche schließe ich mal aus, denn hier muss man schon zu einem gewissen Grad bekloppt sein. Man sollte aber mental fit sein. Du bist hier zum Teil ausgesetzt in riesigen Geröllfeldern und die Tour kann nicht einfach abgebrochen werden, falls etwas schiefgeht. Dann solltest Du cool genug sein für einen passenden Lösungsweg.
Bei Regen ist die Tour sehr gefährlich. Die Steine sind teils extrem rutschig und die Sicht kann schnell nur ein paar Meter betragen. Das Wetter kann sich hier rasch ändern. Ein blauer Himmel heißt nicht, ohne Regenkleidung loszuziehen.
Der größte Teil der Strecke ist nicht als Pfad oder Wanderweg zu erkennen. Die Richtung ist immer mit einem roten aufgemalten T auf Steinen oder Steinmännchen zu erkennen. Wenn Du ein rotes T erreicht hast, solltest Du von diesem Punkt aus erst das nächste rote T suchen, bevor Du weiterläufst. Das gilt nicht nur bei schlechter Sicht.
Zu Fuß durch die Steinwüste der Nordkinn-Halbinsel
Der Wetterbericht für unseren Versuch war nicht so schlecht vorhergesagt, mit 40 % Regenwahrscheinlichkeit. Trotzdem war es hier Anfang September schon ordentlich kalt und es gab immer wieder kurze Regenschauer.
Das Wetter hielt die ersten Stunden unserer Tour und es ließ sich auf den mittlerweile leicht getrockneten Steinen gut laufen. Unsere Rucksäcke waren für fünf Tage mit Proviant und Campingausrüstung beladen. Wir planten vier Tage plus einen Reservetag.
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Jedoch sollten die trockenen Momente, bald vorbei sein. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel und aus ein paar Regentropfen wurde ziemlich schnell eine Art Dusche. Der Wind wurde stärker und nun kam alles zusammen. Die Sicht verschlechterte sich, der Weg wurde gefährlich, weil wir jetzt auf nassen klatschen Steinen keinen guten Halt mehr hatten. Wir entschieden uns, das Zelt aufzubauen. Aber auch das ist hier nicht so einfach. Wir suchten über eine Stunde im Regen, bis wir einen kleinen grünen, leicht überschwemmten Fleck entdeckten, wo wir unser Zelt endlich aufbauen konnten. Durchnässt wärmten wir uns im Zelt und hofften auf einen regenfreien zweiten Tag.
Mentale Herausforderung am nördlichen Ende
Der nächste Tag schien trocken zu werden. Bis abends wollten wir am Strand sein, am Strand am Ende der Welt. Doch wieder gewann die 40 % Regenwahrscheinlichkeit und wieder regnete es wie aus Eimern vom Himmel. Der Wind schlug hart wie Hagel den Regen ununterbrochen von vorn in unsere Gesichter. Die Wegfindung wurde schwieriger, meine Brille lief durch die eigene Atemluft an, da ich den Schal als Schutz bis über die Nase hochgezogen hatte. Die vielen nicht enden wollenden Regentropfen auf dem Brillenglas, gaben den Rest, um die Sicht zu behindern.
>> Sollen wir lieber umdrehen? Die Steine sind verdammt rutschig und ich bin schon komplett nass! Wenn sich hier jemand verletzt, habe wir ein Problem! <<. >> Ich weiß,… nur noch ein Stückchen, wenn es nicht besser wird, drehen wir um. <<.
Es wurde nicht besser, aber wir drehten auch nicht um. Die Sucht zum Ziel Kinnarodden, dem nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes, war einfach stärker. Und so wurden wir tatsächlich am Abend belohnt, als der Regen endlich nachließ und der Weg auf den letzten Kilometern endlich angenehmer zu laufen war.
Mit Improvisation zum nördlichsten Strand des europäischen Festlandes
Kurz vor dem Ziel gabelte sich der Weg an einem Informations-Schild. Das Schild wirkte so unwirklich nach der Wanderung durch die menschenleere Steinwüste. Zum Strand mussten wir uns jetzt links halten und dem rechten Ufer des Flusses über die Steinblöcke folgen. Ab hier gab es für uns keine T Markierungen oder Steinmännchen mehr.
Wir folgten Rentier-Spuren durch Matsch und Gestrüpp, bis wir den Strand erblickten. Wir stiegen die steile Wand am Strand nicht bis nach unten zum Wasser ab, sondern folgten oben den Vorsprung zum linken Ende des Strandes. Denn dort habe ich bei meinen Recherchen Trinkwasser entdeckt. Wir bauten unser Zelt mit einem fantastischen Blick über Strand Nähe des Flusses auf, der uns mit Trinkwasser versorgte.
Kinnarodden, Schutzhütte und Müll
Am dritten Tag meinte es die Natur gut mit uns. Es war der Tag, an dem wir nun die letzten Kilometer ohne Gepäck zum Kinnarodden liefen. Denn am Morgen wärmten uns schon die ersten Sonnenstrahlen und das Blau am Himmel gewann vorerst über das Graue.
Wir liefen über den Strand am Meer entlang auf die rechte Seite der Bucht, um dort unten der Steilküste zu folgen. Leider entdeckten wir zu unserem Entsetzen, dass der komplette Küstenbereich mit Müll überschwemmt ist. In meinem Bericht Plastik und Müll am Ende der Welt bin ich näher auf das Problem eingegangen.
Nachdem wir ein ganzes Stück der Küste gefolgt waren, entdeckten wir eine kleine und sehr sporadische Hütte. Es war eine Schutzhütte. Hier lag auch ein Gästebuch. Und so erfuhren wir beim Durchstöbern, dass sich schon einige hier auf dem Weg zum Kinnarodden etwas überschätzt haben. Wanderer versuchten die insgesamt 50 Kilometer Wanderstrecke am Stück zu bewältigen und schafften es nicht immer. Entweder wegen der Kraft oder dem Wetter und nutzten dankbar diese Schutzhütte als Unterschlupf.
Wir waren glücklich mit unserer Zelt-Strategie und den Ruhetagen. So liefen wir frisch und ausgeruht, mit Sonnenschein im Gesicht, die letzten Kilometer zum Kinnarodden.
Vier Tage Einsamkeit bei unserer Wanderung zum Kinnarodden
Nach zwei Nächten verließen wir den Strand am Kinnarodden und machten uns früh morgens am vierten Tag der Wanderung auf, um den Rückweg an einem Tag zu bewältigen. Dieses Mal gab es nur starken Wind und der Regen verschonte uns in der Steinwüste vom Nordkinn. Wir trafen auf unserer Tour keinen einzigen Menschen. Dafür aber umso mehr Rentiere.
Eine Straße zum Kinnarodden auf der Nordkinn-Halbinsel?
Immer wieder wird über den Bau einer Straße zum Kinnarodden gesprochen. Vor allem die Samis hätten gerne eine Verbindung, um besser zu ihren Rentierherden zu gelangen. Das Argument klingt für mich aus der Sicht der Samis plausibel, doch bin ich gegen den Straßenbau. Es gibt mittlerweile so viele Punkte in Europa, die ans Straßennetz angebunden sind, dass es aus meiner Sicht schade wäre, wenn dieser ruhige und einsame Ort dem Massentourismus unterliegen müsste. Aber am Ende ist dies keine einfache schwarz-weiße Antwort, ob eine Straße gebaut werden sollte oder lieber nicht.
Der Reiz, sich zu Fuß auf dem Weg zu machen, macht für mich dieses Ziel zu etwas besonderen. Ich weiß, dass nicht jeder die Voraussetzungen für diesen Marsch hat, doch gibt es noch die Möglichkeit, mit einem kleinen Boot von Mehamn aus zum Kinnarodden zu gelangen. Hier muss zwar auch der Anstieg bewältigt werden, aber etwas für sein Ziel zu tun, steigert auch deutlich die Freude, sein Ziel am Ende erreicht zu haben.
PIN MICH, wenn es Dir gefällt
Im Juli 1967 haben wir in einer Gruppe von 9 kölner Jungens des CVJM (evangelische Pfadfinder) eine 6 wöchige Fahrradtour durch Lappland unternommen. Dabei sind wir auch zum Kinnarodden gewandert. Wegmarkierungen und Schutzhütte gab es zu der Zeit noch nicht, auch keine GPS.Navigation. Aber wir hatten 3 Kompasse dabei und haben uns auch im dicksten Nebel einfach nur nach Norden bewegt. Hin- und Rückweg haben am Stück 36 Stunden gedauert. Zu der Zeit lag kurz vor dem Kap noch das Wrack einer abgestürzten JU 88 aus dem 2. Weltkrieg. Die Tour war extrem anstrengend aber auch ebenso extrem beeindruckend! Wie auf einem anderen Planeten. Und den Stolz, diese unmöglich erscheinende Herausforderung gemeistert zu haben trage ich mit 72 Lebensjahren immer noch in mir.
Mike